Im Winzerstädtchen Freyburg steht die Wiege für die Idee des größten Denkmalarchivs Deutschlands. Hier wurden zum ersten mal im Juni 1867 durch den jungen Baumeister Albrecht Meydenbauer Messbilder (Fotos) aufgenommen. Diese dienten nicht der reinen fotografischen Dokumentation, sondern sie waren exakt geplant. Auf jedem Messbild warf ein Fadenkreuz Horizont- und Vertikallinie, denn Meydenbauer wollte „aus perspektivischen Bildern orthografische Projektionen“ konstruieren. Seine Idee war revolutionär. Mittels Fotografien und mit mathematischen Berechnungen konnten exakte Grund- und Aufrisspläne gezeichnet werden. Meydenbauers Methode war in der Lage, aus Fotografien eines Objektes seine räumliche Lage oder dreidimensionale Form zu bestimmen.
Eine ganz persönliche Motivation trieb ihn dazu, hier Wissenschaftsgeschichte zu schreiben. Jahre zuvor war er bei Aufrisszeichnungen des Wetzlarer Doms beinahe ums Leben gekommen. Deshalb ersann er diese weitaus einfachere Methode, um zu maßstabsgetreuen Plänen zu gelangen. „Meydenbauer schuf mit seiner (daraufhin
gegründeten) Meßbild-Anstalt ein Denkmäler-Archiv, dass noch heute als das größte photogrammetrische Kulturgüterarchiv angesprochen wird. Die Internationale Konvention der UNESCO Paris ... greifen auf Überlegungen zurück, die Meydenbauer ... bereits vor (über) 100 Jahren verwirklichte.“ (Prof. Albrecht Grimm)
Als 33jähriger überzeugte Meydenbauer preußische Ministerien davon, diese Idee auch in Deutschland umzusetzen, die er zuvor in Ansätzen auf der Weltausstellung in Frankreich gesehen hatte. 1867 kam es zur Umsetzung. Das Kriegsministerium förderte die „Terrainprobe“ – ausgewählt wurde das Städtchen Freyburg mit „einem breiten Thalkessel mit ziemlich steilen Hängen, in welchem überdies alle möglichen Situationsgegenstände zusammengedrängt“ sind. Meydenbauer nahm von 6 Aufnahmepunkten 22 Fotos der Stadt und Umgegend auf. Sechs Fotos und der gezeichnete Stadtplan sind davon erhalten geblieben. Vier zusammenhängende Fotos ergeben das vermutlich erste erhaltene Panoramafoto der Welt und machen Freyburg (Unstrut) zu einem Mittelpunkt der Fotografiegeschichte.
Das Handelsministerium förderte die Aufnahmen der „Architekturprobe“ – ausgewählt wurde die Stadtkirche St. Marien in Freyburg (Unstrut). Von dieser nahm er 5 Außen- und 4 Innenansichten auf. Ein Foto und die Aufrisszeichnung sind noch erhalten. Damit ist die Stadtkirche St. Marien zu Freyburg (Unstrut) das erste photogrammetrisch aufgenommene Denkmal in Deutschland.
In der Stadtkirche St. Marien kann man vom 22. Juni bis zum 31. Oktober diesen Jahres erstmalig diese erhaltenen Messbild-Fotoaufnahmen sehen. Geöffnet hat die Ausstellung Montag bis Freitag von 10 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr; Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 14 bis 16 Uhr.
(c) Museum Schloss Neuenburg